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Hund nicht beachten – gemein, oder?

Manchmal hört man von Experten den Rat, den Hund nicht (immer) zu beachten. Sachlich gut begründet ist das häufig. Doch die Gefühle sagen uns etwas anderes. Den Hund, den man so lieb hat, einfach nicht zu beachten? Kaum etwas scheint unmöglicher, als ihm unsere Aufmerksamkeit zu entziehen. Ihn links liegenzulassen. Nicht hingucken. Nichts sagen. Den eigenen Körper vom Hund wegdrehen. Aktiv in eine ignorante Passivität zu gehen. Das ist doch gemein, oder?

Hunde können das sehr gut – einen Hund nicht beachten. Manchmal ignorieren sie auch uns. Wie sieht das aus? Und wie reagieren  verschiedene Konstitutionsmittel darauf, ignoriert zu werden?

Ignoranz bei Hunden

Wie echte Ignoranz bei Hunden aussieht und wie sie ankommt, haben mir im Laufe der letzten Jahre mehrere Begegnungen gezeigt.

Allen Situationen war eines gemeinsam:

  • das ignorante Verhalten (Hund nicht beachten) ging vom jeweils (mental) Stärkeren aus.
  • das ignorante Verhalten wurde erst eingestellt, wenn das auslösende Verhalten (z.B. Zudringlichkeit, Spielaufforderung, Aggressivität) beendet worden war.
  • erst dann löste der/die IgnorantIn die Situation durch freundliche Zugewandtheit, Spielaufforderung oder einfaches Weggehen auf.
  • wenn das jeweils ignorierte Verhalten aufhörte, wurde auch die Nichtbeachtung beendet. 
  • Ignoranz muss man sich leisten können.

Hunde verhalten sich ständig zu ihrer Umgebung. Genau wie wir Menschen. Ein stetiges Geben und Nehmen von Informationen bestimmt unser gemeinsames Leben. Dabei sind uns die Hunde in fast allem eine Nasenlänge voraus. Ihre Wahrnehmung ist der unseren in vielem überlegen. Sie hören besser, riechen besser, können oft besser in der Entfernung sehen. Dazu lesen sie unsere Körpersprache, unsere Mimik und verstehen erstaunlich viele Wörter. Sie wissen in jedem Fall vor uns, wie der entgegenkommende Kollege gerade drauf ist. Sie sind Meister im Erreichen ihrer Wünsche und setzen ihre Vorstellungen von einem idealen Hundeleben möglichst prompt um. Das lieben wir ja gerade so an ihnen. Wir werden gefordert und beschäftigt.

Je nach Persönlichkeit des Hundes sehen Aktion-Reaktion-Abläufe unterschiedlich aus. Spannend ist immer auch, wer auf wen trifft und in welchem Zusammenhang. Es ist durchaus ein Wechselspiel, wer wen ignoriert. Oder eben auch nicht.

Pulsatilla und Sepia in der Ignoranz – Hund nicht beachten für Fortgeschrittene

Puppa und die selbstbewusste Lucy

Eine verfettete ältere King-Charles-Spaniel-Hündin – das war Puppa, als sie als fünfter Hund in unsere Gruppe kam. Sie hatte als letzter Hund ihr Frauchen überlebt und war heimatlos geworden. Wir verliebten uns sofort in ihre kullerrunden großen Augen und ihr sanftes Wesen. Sie legte uns ihr Kinn in die Handfläche und es war um uns geschehen. Dass sie taub war, machte nichts. Sie würde bei uns auf dem Hof laufen können und für Spaziergänge konnten wir sie ja anleinen.

Unsere Gruppe bestand aus vier Hunden. Puppa ließ sich wie eine kleine Königin aus dem Auto heben und vorsichtig absetzen. Die drei Jungs Bazi, Josh und Johnny nahmen sie wohlwollend auf. Lucy, unsere Dogo-Argentino-Staff-Mix-Hündin, begrüsste sie zurückhaltend, aber ebenfalls freundlich. Puppa sah sich erstaunt um – bislang kannte sie nur die Stadtmitte Hamburgs. Dann wackelte sie den anderen hinterher in den Stall. Ein ausgiebiges Staubbad vor den Koppeln verscheuchte alle fremden Gerüche und schon war sie eine von uns.

Lucys Versuch

Etliche Tage später war Puppa noch über ihren Napf gebeugt und fraß, als Lucy sich schräg hinter sie stellte (ca. 45 Grad-Winkel zu Puppas Schulter) und ernst und vernehmlich knurrte. Ganz offensichtlich hieß das: “Platz da, der Rest ist mein Futter.” Ich stand unmittelbar hinter Lucy und hätte sofort eingreifen können, wenn es nötig gewesen wäre. Für den Moment verhielt ich mich neutral. Von mir kam keine Reaktion. Die Spaniel-Ohren vor dem Gesicht war Puppa in ihren Napf vertieft. Hören konnte sie ja nichts. Also: keine Reaktion von Puppa.  Sie fraß weiter, als ob nichts geschehen sei. Stimmte aus ihrer Wahrnehmung ja auch.

Lucy spannte sich leicht an, ging eine Pfote weiter vor. Sie stand nicht mehr als 20 cm von Puppa entfernt. Der Winkel hatte sich nicht verändert. Durch ihr Näherrücken war eher Puppas Hals im Fokus, als ihre Schulter. Deutliches, grollendes Knurren von Lucy.

Irgendeine Information musste bei Puppa angekommen sein, denn sie nahm kurz den Kopf hoch. Leicht irritiert sah sie Lucy für einen winzigen Moment an. Dann versenkte sie sich wieder in den Napf und fraß weiter.

… und Irrtum

Völlig perplex sah Lucy sich nach mir um. “Hast Du DAS gesehen?”, schien ihr Blick zu sagen.  Und: “Was soll ich denn jetzt machen?” Normalerweise bestimmte sie, wer mit ihr Kontakt aufnahm und wie das geschehen sollte. So ein ignorantes Verhalten war ihr in ihrem vierjährigen Leben noch nicht passiert.

Leise lachend meinte ich nur: “Tja, Lucy, das kannst Du vergessen. Lass’ sie mal.”

Lucy, die starke Sepia-Hündin, vor der alle Respekt hatten, war beeindruckt. Eine kleine Pulsatilla-Hündin hatte ihr völlig unaufwändig eine Grenze aufgezeigt.

 

Freundliche Ignoranz zur Befriedung und Festigung von Bindungen

Natürlich kam die Situation auch durch die Taubheit Puppas zustande. Trotzdem oder gerade deswegen hat es für Puppa funktioniert. Die beiden Hündinnen lebten drei Jahre friedlich nebeneinander. Keine besten Freundinnen, aber stressfrei und akzeptiert.

Bei Spielaufforderungen kann man Ignoranz gut sehen: Der Ranghöhere gibt ihr nicht immer nach. Es gibt Beziehungen unter Hunden, die in dieser Hinsicht ausgesprochen einseitig ablaufen. Die Spielaufforderung des rangniedrigeren Hundes wird freundlich ignoriert, indem der ranghöhere Hund aufdringliche körperliche Aufforderungen einfach an sich abperlen lässt. Er wendet den Kopf ab, damit auch den Blick, geht auch mal zur Seite, ohne seine Position wirklich aufzugeben. Lässt der Rangniedere dann nach und wartet ab, wird er oft zum Spiel aufgefordert. Und dann kann es losgehen! Die Spielsequenz wird auch vom Ranghöheren beendet.

Insgesamt kann man durch das gezielte, neutral-freundliche Ignorieren unerwünschten Verhaltens viele Punkte bei Hunden sammeln. Wichtig ist der Zusammenhang! Wenn mein Hund mich anknurrt, bekommt er eine der Situation angemessene Antwort. Ignorieren würde ich das nie. Das Knurren eines fremden Hundes würde ich so weit es geht nicht beachten. Wird ein fremder Hund aufdringlich und springt an mir hoch, drehe ich mich zur Seite, schütze (bei großen Hunden) so auch mein Gesicht – zeige im wahrsten Sinne des Wortes meine kalte Schulter. Auch nach solchen stürmischen Bekundungen wird der fremde Hund ignoriert. Nicht angeschaut, nicht angefasst, nicht beachtet. Komplett Luft. Solange, bis ICH so weit bin und eine respektvolle Annäherung erlaube. Dieses Vorgehen hat schon so manche Situation gleichermaßen entschärft und geklärt.

Fazit

  • Ignoranz gehört zur normalen Kommunikation von Hunden und ist KEINE Strafe. 
  • In einem vernünftigen Zusammenhang artgerecht angebracht, kann sie die Beziehung zwischen Mensch und Hund sogar festigen.
  • Freundliche Ignoranz ist eine Momentaufnahme innerhalb einer Kommunikation. Sie wird beendet, sobald das “Thema”/die Situation geklärt ist.
  • “Beendet” bedeutet, dass man sich dem Hund aktiv freundlich zuwendet, OHNE ihn gleich wieder zu dem Verhalten zu ermuntern, das ihm die Ignoranz eingebracht hat.
  • Aktive freundliche Zuwendung kann eine kleine einladende Kopfbewegung sein. Oder eine Handbewegung, die dem Hund vermittelt: Alles ist gut. Ich mag Dich und wir gehören zusammen.

Homöopathische Konstitutionsmittel und Ignoranz

Wie wirkt sich die Kommunikationsform freundliche Ignoranz auf die verschiedenen Hundetypen aus?

Gerade bei den Hundetypen Sepia, Sulfur, Calcium phosphoricum und Arsenicum album wirkt freundliche Ignoranz positiv auf den Hund.

Sepia ignoriert gerne selbst. Und ist dann beeindruckt, wenn sich jemand nicht gleich aufdrängt.

Sulfur und Calcium phosphoricum können aufdringlich und übergriffig bis unverschämt sein. Hier braucht man gute Nerven und ein gewisses Durchhaltevermögen, wenn man den Hund nicht beachten will.

Arsenicum album ist eigentlich froh, wenn es mehr ignoriert wird, weil es dann seine Ängste vor Unbekanntem und Fremden nicht in Aggression umwandeln muss.

Pulsatilla, Phosphor und Calcium carbonicum reagieren sehr empfindlich auf Ignoranz. Hier darf man den Bogen keinesfalls überspannen, weil es zu unnötiger Verunsicherung führt und das Gegenteil dessen bewirken würde, was man erreichen möchte.

Ein Calcium carbonicum – Hund kann ausgesprochen nachtragend reagieren, sodass man das Gefühl hat, Abbitte leisten zu müssen.

Warum diese Einordnung?

Oben genannte “kleine” Unterschiede in den Hunde-Persönlichkeiten können bei der Wahl des Konstitutionsmittels hilfreich bis ausschlaggebend sein. Daher bemüht man sich, diese Persönlichkeits-Merkmale zu erkennen, ohne den Hund zu vermenschlichen.

 

 

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